Die Parks im Westen der Stadt beheimaten so manche Museumsperle
von Julia Marhenke und Matthias Pätzold
Zwei Porträts – ähnlich und doch gänzlich verschieden. Beide zeigen jeweils ein Mädchen zusammen mit seiner Puppe. Doch während auf dem einen das Kind vielmehr behutsam mit dieser hantiert, wiegt das andere seine liebevoll auf dem Arm.
„Die Bilder zeigen, wie sich der Umgang mit dem Spielzeug im Laufe der Zeit gewandelt hat“, erklärt Elke Dröscher. „Daher sollte man auch gerade auf diese achten.“
Vor über 25 Jahren hat Dröscher das etwas versteckt inmitten eines Parks liegende Puppenmuseum Falkenstein gegründet. Tausende Male muss sie diese Hinweise schon gegeben haben. Trotzdem leuchten ihre Augen noch immer, wenn sie über ihre Sammlung spricht und mit den Händen gestikulierend schickt sie einen auch gleich weiter in den Ausstellungsraum.
In chronologischer Reihenfolge wird hier die Geschichte der Puppen gezeigt. Und damit auch die der Menschen zu jener Zeit. In der Mitte sind Puppenhäuser in Glasvitrinen zu bestaunen, in den Nischen an den Seiten sind einzelne Puppenräume hinter Fenstern aufgebaut.
Da gibt es bis ins kleinste Detail bestückte Küchen. Tapezierte und mit Teppich ausgelegte Wohnräume. Kaufmannsläden, Nähstuben und in einer Ecke sogar eine komplett ausgestattete Turnhalle.
Es begann mit einer Puppenstube
Über 500 Puppen und etwa 60 Puppenstuben, -häuser, -küchen und -läden besitzt Elke Dröscher. „Sammler sind unmögliche Menschen“, erzählt sie mit einem Zwinkern. Schon als kleines Mädchen hat sie wie viele andere in dem Alter Puppen gesammelt. Doch in dem Maße, dessen Ergebnis man heute betrachten kann, begann sie erst vor etwa 45 Jahren, als die damals schon Erwachsene eine Puppenstube geschenkt bekam.
„Irgendwann war meine Sammlung so groß, dass ich mich entscheiden musste, was ich mit ihr mache“, sagt sie. „Also habe ich mich entschlossen, sie auszustellen.“ Zu Beginn noch in anderen Museen. Aufgrund der Empfindlichkeit der Stücke war dies aber keine Dauerlösung und so schloss sie Mitte der 80er Jahre einen Vertrag mit der Stadt und zog mit ihrer Sammlung in das 1922/23 nach Entwürfen des Architekten Karl Schneider gebaute Landhaus Michaelsen, wo sie bis heute ihre Puppen präsentiert.
Das Gebäude selbst ist ein frühes Beispiel für die rationalistische Moderne und gilt als ein Pionierbauwerk des Neuen Bauens, zum dem auch das Bauhaus als experimentelle Lehrstätte zählte.
60 Jahre Ernst Barlach Haus
Das Ernst Barlach Haus im Jenischpark präsentiert sich im Gegensatz zum Puppensammelsurium recht nüchtern. Weiße Wände, schwarze Sitzmöglichkeiten. Die unterschiedlichen Räume und der zentrale überdachte Innenhof haben dennoch ihren Charme. Überall ist Licht.
1962 war es das erste private Kunstmuseum Norddeutschlands. Ein Freund und Förderer des Bildhauers, Zeichners und Schriftstellers Ernst Barlach hatte seine Sammlung zuvor einer Stiftung vermacht und den Museumsbau in Auftrag gegeben.
Die Freiheit der Kunst
Die Skulpturen Barlachs, die auf unterschiedlich hohen rechteckigen Säulen ins Auge des Betrachters gerückt werden, laden zum Näherkommen ein. Nur ein Schild „Bitte nicht berühren“ hält einen davon ab, die feinen Strukturen mit den Fingern nachzufahren.
Einsamkeit, Not und Personen am Rand der Gesellschaft waren Barlachs zentrale Themen. Auch wenn dies nicht unbedingt dem allgemein erwünschten Kunstgedanken entsprach – Barlach lebte von 1870 bis 1938 und erlebte somit beide Weltkriege –, ertrug er die Kritik und Angriffe und hielt bis zu seinem Tode an der Freiheit des Denkens und der Kunst fest.
Neben der wechselnden Sammlungspräsentation, in der seine Werke gezeigt werden, gibt es zusätzlich drei bis vier Sonderausstellungen pro Jahr, in denen Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts beleuchtet wird.
Jenisch Haus
Wenn man sich von den Werken lösen kann, sind es nur wenige Schritte bis zum Jenisch Haus. An der Eingangstür steht ein Schild, das einen zum Schuhe abputzen auffordert. Im Innern wird schnell klar, warum hier soviel Wert auf Sauberkeit gelegt wird: Ein heller, weicher Teppich durchzieht Teile des Hauses und schluckt jedes Geräusch.
Mehr als ein Dutzend Zimmer gibt es hier zu erkunden, hohe stuckverzierte Decken zu bestaunen. Von Barock bis Biedermeier ist hier alles vertreten. Jedes Zimmer hebt sich von den anderen eindrucksvoll ab und man kann sich gut vorstellen, wie die Herren und Damen durch die einzelnen Räume flanierten.
Überall stehen Möbel und man muss sich fast ein wenig beherrschen, sich nicht auf einen der gepolsterten Stühle zu setzen, um die Einrichtung in Ruhe zu betrachten.
Ausstellungen
Erst im Obergeschoss gibt es Besucherbänke und man schaut automatisch nach einem Schildchen, dass einem auch hier verbietet, sich zu setzen. Aber nein, im ersten Stock ist sitzen erlaubt, ja sogar erwünscht. Immerhin befindet sich hier neben weiteren Räumen auch die Kabinettausstellung – und zum Bilder gucken braucht man Zeit.
Landschaftsmalerein, Historiengemälde oder auch religiöse Darstellungen sind vertreten, wobei die Ausstellungen wechseln. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Es sind Malereien, die den Kunstgeschmack der gutbürgerlichen Bevölkerung im 19. Jahrhundert vermitteln.
Gebäude und Park
Zu der Zeit nämlich ließ der Hamburger Kaufmann und Bausenator Martin Johann Jenisch das im klassizistischen Stil gestaltete Gebäude errichten. Als Architekten verpflichtete er Franz Gustav Forsman, der unter anderem auch an öffentlichen Gebäuden wie der Börse wesentlich beteiligt war, aber auch zahlreiche Wohnhäuser für Senatoren, Bürgermeister und Kaufleute baute.
Auch den umliegenden Park ließ Jenisch umgestalten. Nachdem die Stadt diesen Ende der 30er Jahre kaufte, wurde er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und bietet heute als ältester englischer Garten Hamburgs neben den beiden Museumsgebäuden auch schöne Spazierwege.
Eduard Bargheer Museum
Seit 2017 gibt es im Jenischpark ein weiteres Kunstmuseum zu entdecken. Im umgestalteten Gartenbauamt hat nun die Sammlung des Hamburger Künstlers Eduard Bargheer ein Zuhause gefunden.
Eduard Bargheer (1901–1979) lebte in Deutschland und Italien und schuf ein umfangreiches Werk, bestehend aus Handzeichnungen, Aquarellen, Ölgemälden und Druckgraphiken, welches in vielen bedeutenden Museumssammlungen der klassischen Moderne vertreten ist.
Zu Beginn noch vom Werk Edvard Munchs beeinflusst, entwickelt Bargheer Ende der 1940er Jahre seinen eigenen Stil: einer vom Seherlebnis ausgehenden Abstraktion ins Elementare, Strukturbetonte und Symbolische.
Weitere Informationen:
Elke Dröscher: www.elke-droescher.de
Ernst Barlach Haus: www.barlach-haus.de
Jenisch Haus: https://shmh.de/de/jenisch-haus
Bargheer Museum: www.bargheer-museum.de
Aktuelle Kulturreisen nach Hamburg:
Hamburg: Speicherstadt, Kontorhäuser & mehr
Unsere Literaturempfehlung:
HAMBURG – Der Reiseführer von Matthias Kröner
Für bloße Statistiker ist Hamburg nichts weiter als die zweitgrößte Stadt der Republik, für die Hamburger selbst nichts weniger als »die schönste Stadt der Welt«. Übertrieben?
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Zahlreiche Features machen die City-Guides übersichtlich und ermöglichen eine schnelle Orientierung: Den Auftakt bilden Themenseiten zu den Stadtvierteln und Sehenswürdigkeiten, zur Kulinarik, zum Nachtleben und zum Shopping. Weitere Special-Interest-Infos finden sich in extra Kapiteln mit Low-Budget-Tipps, Tipps für Familien und Kids oder in kurzkommentierten Listen mit allen Restaurants und Museen auf einen Blick.
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