Dein Kulturreisejournal

Museen in Stuttgart

Vom Kunstmuseum zur Kulturmeile

von Harald Kother

Direkt an der Königstraße, der Haupteinkaufsstraße, steht der neueste Kulturtempel der Stadt: das Kunstmuseum Stuttgart. Der nüchterne, futuristische Bau bietet auf mehreren Etagen Platz für diverse Ausstellungen. Hier hängen unter anderem Werke von Otto Dix, der in seinen Gemälden die Folgen des Ersten Weltkrieges und die Verlogenheit der Weimarer Republik geißelte.

Im Museum, einem Kubus aus Glas, spiegeln sich Fußgänger mit ihren Einkaufstaschen sowie der benachbarte Schlossplatz wieder. Dort erholen sich auf den Grünflächen Passanten vom Großstadtleben. Brunnen plätschern munter. Und an den Seiten haben Cafés Tische und Stühle ins Freie gestellt. Stuttgart und seine Bewohner präsentieren sich im Herzen der City entspannt und leger.

Schlossplatz mit Spiegelfassade des Kunstmuseums
Belebter Schlossplatz mit Spiegelfassade des Kunstmuseums © Matthias Pätzold

Barockes Ensemble im Herzen der Stadt
Natürlich fällt der Blick nicht nur auf die Sonnenanbeter, die sich auf dem Barockgarten ausbreiten, sondern auch auf das Neue Schloss. Das Schloss ist der repräsentativste Bau der Stadt. Früher residierten hier die württembergischen Könige, heute werden hier Staatsgäste empfangen. Die ehemalige Residenz beherbergt neben zwei Ministerien auch zwei prunkvolle Säle – ist jedoch für die Allgemeinheit nicht zugänglich. Für eine Besichtigung gäbe es – abgesehen von den Prunksälen – auch kaum einen Grund. Denn das Schloss wurde mit der gesamten Innenstadt im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Nach dem Krieg wurden – außer den Festsälen – nur die Fassaden rekonstruiert. Der Rest des Neuen Schlosses ist nüchterner Stahlbeton.

Wasserburg und Kronschatz
Da lohnt sich schon eher ein Besuch des benachbarten Alten Schlosses. Die ältesten Fundamente stammen aus dem 14. Jahrhundert. Früher umgaben Wassergräben die massiven Mauern. Die Anlage steht auch heute noch wie eine mittelalterliche Trutzburg im Stadtzentrum. Doch die Landesherren ließen die Wasserburg im späten 16. Jahrhundert in ein Renaissance-Schloss umbauen – mit breit geschwungenen Arkaden im Innenhof, ähnlich wie in italienischen Städten. Hier finden im Sommer wie im Winter Konzerte statt. Das eigentliche Gebäude beherbergt das Württembergische Landesmuseum mit den Kronjuwelen des ehemaligen Königsgeschlechts.

Arkadenhof Altes Schloss Stuttgart
Arkadenhof Altes Schloss Stuttgart © Julian Herzog, CC-BY 4.0

Vom Alten Schloss gelangt man schnell ins Bohnenviertel auf der anderen Seite der Bundesstraße 14. Die zerschneidet die Stadt wie eine Schnellstraße. Und ziemlich genau dort, wo heute die Autos an der Innenstadt vorbei brausen, war früher die Stadtgrenze. Auf der anderen Seite der schützenden Mauern siedelten sich die armen Leute an. Weil sie in ihren Gärten Bohnen anbauten, hatte das Viertel schnell seinen Namen weg. Heute fühlen sich hier vor allem Trödler, Antiquitätenhändler und Gastwirte wohl. Im Bohnenviertel mit seinen schiefen Fachwerkhäusern, den Kopfsteinpflaster-Gassen und den Resten der Stadtmauer findet man einige der besten und beliebtesten Restaurants der Stadt. Doch Vorsicht: Direkt hinter der Leonhardskirche liegt das Rotlichtmilieu! In manchen Etablissements steht nicht Speis und Trank im Vordergrund.

Gasse im Bohnenviertel
Gasse im Bohnenviertel © Harald Kother

Eine Meile für die Kultur
In der anderen Richtung, hinter dem Charlottenplatz, beginnt die Kulturmeile der Stadt Stuttgart: Stadtbücherei, Landesbibliothek, Oper und Schauspielhaus liegen hier wie an einer Perlenkette aufgeschnürt. Besonders beeindruckend ist das postmoderne Architekturensemble aus Neuer Staatsgalerie, Musikhochschule und Haus der Geschichte. Der gesamte Komplex wurde vom englischen Stararchitekten James Stirling entworfen. Vor allem die Neue Staatsgalerie gilt mittlerweile weltweit als ein Wahrzeichen der Stadt. Das eigenwillige Gebäude mit den knallroten Geländern sowie den hellgrünen Fensterrahmen und Bodenbelägen zieht seit Jahren Besucher aus aller Welt an – wegen seiner Sammlung moderner Kunst, aber auch wegen der verspielten Architektur. Verkleidet wurde das Meisterwerk übrigens mit Sandstein aus Baden und Travertin, einer in Stuttgart zu findenden Marmorart. Die beiden Steine repräsentieren somit auch die Landesteile Baden und Württemberg.

Postmoderne Fassade der Neuen Staatsgalerie
Postmoderne Fassade der Neuen Staatsgalerie Stuttgart © Fred Romero, CC BY 2.0

Von der Kulturmeile braucht man wiederum nur ein paar Minuten zurück zur Königstraße und zum Hauptbahnhof. Der Weg führt dabei durch den Schlossgarten, dem Anfang eines Parks, der mitten in der City beginnt und sich über viele Kilometer fortsetzt. Neben Blumenbeeten liegen Sonnenanbeter, junge Menschen spielen Frisbee oder Fussball. Im Biergarten und in Cafés läuten Angestellte den Feierabend ein. Die Stuttgarter schaffen nicht nur, sie nutzen auch gerne ihre Parks.

Café am Schlossplatz Stuttgart
Café am Schlossplatz Stuttgart © Harald Kother

Der Schlossgarten reicht bis hinunter zum Neckar, geht dort in den Rosensteinpark über, der die Richtung wechselt und im Norden an den Höhenpark Killesberg grenzt. Diese Parkanlagen umschließen die Innenstadt rund um den Hauptbahnhof u-förmig. Die Stuttgarter sprechen deswegen auch vom „Grünen U“. Wer es komplett durchwandern will, braucht mindestens zwei Stunden.

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