Auf den Spuren der Romanik
von Kora Thomas
Fachwerkhäuser, malerische Gassen, Kopfsteinpflaster und romanische Kirchen zeichnen die historische Altstadt von Quedlinburg aus. Sie machen die nördlich des Harzes gelegene Stadt an der Bode zu einem sehenswerten Kulturereignis auf der Reise entlang der Straße der Romanik.
Mit dichten und massiven Gesteinsschichten präsentiert sich der Schlossberg hoch über der Stadt und bietet mit der Stiftskirche St. Servatius einen der eindrucksvollsten Orte Quedlinburgs. Er war als mächtiger Sandsteinfelsen bereits im frühen Mittelalter Kernpunkt der Besiedlung. Hier ließ Heinrich I. schon zu Beginn des 10. Jahrhunderts eine Pfalz errichten, die nach seinem Tode 936 einem Frauenstift des ottonischen Herrscherhauses übertragen wurde. Unter der Leitung von Heinrichs Gemahlin Mathilde wurden an diesem Ort Töchter des Hochadels versorgt und ausgebildet. Quedlinburg war somit schon im frühen Mittelalter ein weltliches Zentrum.
Das Wahrzeichen der Stadt
Die heutige Stiftskirche gehört zu den bedeutendsten Bauten der Romanik. Mit der Reformation wandelte sich das Stift 1539 in Quedlinburg zu einem „evangelischen freien weltlichen Stift“. Äbtissin und Konventualinnen gehörten seither dem hohen evangelischen Reichsadel an. Typisch für flachgedeckte romanische Bauten wird das Mittelschiff der Kirche abwechselnd von je zwei Säulen und einem Pfeiler gestützt. Dieser so genannte rhythmische Wechsel in der Architektur wird als niedersächsischer Stützenwechsel bezeichnet. Das prächtige Turmpaar, welches über Quedlinburg emporragt, ist jedoch erst durch Restaurierungsarbeiten unter Ferdinand von Quast im 19. Jahrhundert der Kirche hinzugefügt worden. Weltberühmt ist vor allem der Domschatz, der sich neben dem Hohen Chor in den Schatzkammern verbirgt. In der Krypta befinden sich die Grablegen des ersten deutschen Königspaares Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde.
Neben der Kirche befindet sich das Schlossmuseum, das heute in den Stiftsgebäuden und damit in den Wohngebäuden des ehemaligen Frauenstifts untergebracht ist. Durch zahlreiche Umbauten in den vergangenen Jahrhunderten enthält es Bau- und Stilelemente von der Romanik bis zum Barock. Wohnräume aus dem 10. Jahrhundert und eine Ausstellung zur Ottonenzeit bieten unter der Überschrift „Auf den Spuren der Ottonen“ die Möglichkeit des Einblicks in die Zeugnisse deutscher Geschichte.
80 Hektar Fachwerk
So beeindruckend wie der Schlossberg ist auch die Altstadt, die unter ihm liegt. Mit dem historischen Stadtkern, der sich in Form von mehr als 1200 Fachwerkhäusern über ein Gebiet von 80 Hektar erstreckt, ist Quedlinburg seit 1994 eines der größten Flächendenkmale Deutschlands und zählt damit sowie mit den Grabstätten des ersten deutschen Königspaares zum Weltkulturerbe der Unesco. Dank kaum nennenswerter Kriegsschäden und einer lange Zeit geringfügig gehaltenen Sanierungspolitik der DDR gehört ein geschlossener mittelalterlicher Stadtgrundriss ebenso zu Quedlinburg wie die einzigartige Mischung aus Qualität und Quantität an Bauten aus allen Stil- und Zeitepochen der letzten 1000 Jahre deutscher Geschichte.
Im Zentrum: Der Marktplatz mit dem unter Denkmalschutz stehenden erstmals 1310 urkundlich erwähnten Renaissance-Rathaus und der Roland-Statue. An den Steinfassaden emporwachsende Weinranken und ein repräsentatives Eingangsportal mit dem darüber gelegenen Stadtwappen verleihen dem Gebäude ein prachtvolles Erscheinungsbild. Fußend auf den von den deutschen Königen verliehenen Kaufmannsrechten verkörpert die Quedlinburger Rolandstatue die Autonomierechte der Stadt. Bei einem Blick auf die Mitte des Platzes zeigt sich das Denkmal der Münzenberger Musikanten, welche ihren Namen einem Stadtteil Quedlinburgs verdanken.
Durch schmale Gassen und vorbei an reichhaltig geschmückten Bürgerpalästen kann man in Quedlinburg das Flair vorangegangener Epochen auf sich wirken lassen. Das am Kornmarkt gelegene, 1737 erbaute Palais und Wohnhaus des mittelalterlich thüringischen Adelsgeschlechtes der Familie Salfeld bildet ein Beispiel dafür. Es präsentiert sich mit einer massiven Steinfassade und prachtvollen Stuckdecken im Inneren und wird heute als Kongreß- und Tagungszentrum genutzt. Ein Denkmal mit berühmten Persönlichkeiten bietet am Kornmarkt ebenfalls einen Überblick über historische Größen der Stadt.
Über die Hölle zur Hohen Straße
Auch die Straßennamen machen neugierig, die Stadt nach und nach zu erschließen: Auf den Spuren der Fachwerk-Kunst verspricht ein Rundgang durch den Schuhhof, die Hölle, den Stieg, die Breite Straße, die Word, die Blasiistraße und die Hohe Straße einen Blick auf die eindrucksvollen Bauten: überall Fachwerk, Fachwerk, Fachwerk! Der Besuch des ältesten vollständig erhaltenen Fachwerkhauses Deutschlands ist natürlich Pflicht! Denn der im 14. Jahrhundert entstandene Ständerbau ist heute als Fachwerkmuseum zu besichtigen.
Zwischen der Altstadt und der Neustadt liegt das Quedlinburger Stadtschloss, auch als „Hagensches Freihaus“ bekannt. Der Bauherr Christoph von Hagen errichtete es zwischen 1564 und 1566. Als herausragendes Beispiel eines renaissance-zeitlichen Stadtschlosses besitzt es mit seinen prunkvollen Verzierungen sowie hölzernen Deckenkonstruktionen und aus Sandstein gehauenen Treppenläufen im Inneren einen besonderen Charme. Heute wird es als Hotel genutzt.
Auf den Spuren vergangener Epochen
Etwas abseits der Stadtmauern und weg von den zahlreichen ab dem 14. Jahrhundert in der Stadt entstandenen Fachwerkhäusern befindet sich St. Wiperti. Mit der Krypta und der Kirche präsentiert sich das Kloster als beeindruckendes Erzeugnis romanischer Baukunst. Errichtet wurde die Kirche im 10./11. Jahrhundert und fand ihre Funktion als Weihestätte für Heilige und als Bau des Königshofes, der bis heute als ein bedeutendes Konstrukt des sächsisch-ottonischen Herrscherhauses zu besichtigen ist.
Ein faszinierendes Zusammenspiel vergangener Epochen und geschichtlicher Zeugnisse und Erzeugnisse lässt sich in Quedlinburg wieder erfahrbar machen und ist Grundlage für die allseits mittelalterlich geprägte Atmosphäre dieser Stadt.
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