Dein Kulturreisejournal

Gin, Käse und Vollblüter

Englisches Erbe und Eigengewächse auf Menorca

von Harald Kother

Gin gehört zu den bekanntesten Produkten Menorcas. Doch ein wichtiger Ausgangsstoff des Gins ist die Wachholderbeere. Und nirgendwo auf der Insel wächst Wachholder. Wie kommt der Gin also auf die Insel?

Die Antwort ist banal: Die Engländer, einst Kolonialmacht, haben ihn mitgebracht. Und den Menorquinern schmeckte diese typisch britische Spirituose offensichtlich. Der Wachholderschnaps entwickelte sich schnell zum Nationalgetränk. Kein Wunder also, dass die Ginfabrik Xoriguer am Hafen von Maó zu den größten Attraktionen der Insel gehört.

Ginfabrik am Hafen von Mahon
Die Ginfabrik am Hafen von Mahon © Harald Kother

In dem kleinen Laden der Ginfabrik stehen Holzfässer als Tische mitten im Raum, darauf eine Vielzahl offener Flaschen zum Degustieren. Wer will, nimmt sich ein Schnapsglas und probiert den Gin und die vielen anderen Liköre, die die Fabrik noch herstellt: Kamillenschnaps, Rosenwasser-Geist, Pfefferminz- und Kaffeebohnen-Likör. Die Flüssigkeiten in den einzelnen Flaschen schimmern in den unterschiedlichsten Farben: von rosa über ockerfarben bis tiefgrün. Andere Liköre schimmern schwarz wie die Nacht. Der Gin allerdings ist so klar wie Quellwasser.

Viel Zeit zum Probieren
Wer möchte, nimmt sich ein, zwei, drei oder auch noch mehr Gläschen zum Verkosten. Kein Führer oder Verkäufer begrenzt die Menge. Wer in Ruhe degustieren möchte, wird hier in Ruhe gelassen. Während man die verschiedenen Schnäpse von Xoriguer durchprobiert und durch die Fensterscheiben auf den Arbeitsraum blickt, kann es einem passieren, dass ein Mitarbeiter sich die Zeit nimmt, den Herstellungsprozess zu erläutern.

Verkosten im Gin-Laden
Verkosten im Gin-Laden mit Blick in die Arbeitsräume © Harald Kother

Der Käse: Queso Mahón-Menorca
Den Gin brachten die Engländer mit, doch eine weitere kulinarische Spezialität haben die Menorquiner ganz alleine entwickelt: den Käse. Seit vielen hundert Jahren ist Menorca bekannt für den Queso Mahón. Denn das feuchte und warme Klima auf der Insel bietet ideale Bedingungen für die Landwirtschaft und die Viehzucht. Menorca ist nach wie vor eine der größten Käse-Produktionsregionen Spaniens.

Der Queso Mahón ist ein reiner Kuhkäse – anders als in vielen Regionen rund ums Mittelmeer. Und der Rohmilchkäse „Queso Mahón artesano“, auf Menorca auch „Queso pagès“ genannt, gehört zu den Spezialitäten, die man in den Feinkostabteilungen auch in Deutschland findet. Dieser würzige, nach uralter Tradition und direkt auf den Bauernhöfen hergestellte Käse stellt aber nur einen kleinen Teil der Inselproduktion. Der meiste Käse aus Menorca stammt aus industrieller Produktion, der Ausgangsstoff pasteurisierte Milch ist. Die großen Lebensmittelkonzerne sind längst auf Menorca präsent. So betreibt die Firma Kraft Jacobs Suchard ein großes Käsewerk in Maó.

Traditionelle Käserei
Traditionelle Käserei in Menorca © Harald Kother

Käserei Hort de Sant Patrici
Sehenswerter sind natürlich die traditionellen Käsereien im Landesinneren. In der Käserei Hort de Sant Patrici bei Ferreries kann man den Mitarbeitern durch eine Glasscheibe beim Käsemachen zusehen. Und im dortigen Käsemuseum erfährt man alles über den Rohmilchkäse aus Menorca und seine verschiedenen Varianten, den reifen und sehr würzigen „Queso curado“, den mittelreifen „semi-curado“ und den nur drei Wochen alten Frischkäse, den „Queso tierno“, den man in guten menorquinischen Restaurants häufig im Dessert wiederfindet. Natürlich hat man auf dem Hof von Sant Patrici auch die Gelegenheit, die verschiedenen Sorten zu probieren und sich im Hofladen mit Käse einzudecken.

Traditionelle Käseherstellung
Traditionelle Käseherstellung lebt von der Handarbeit © Harald Kother

Schwarze Vollblüter
Mindestens genauso berühmt wie die Käsespezialitäten sind die menorquinischen Pferde mit ihrem meist pechschwarzen Fell und dem mittelgroßen länglichen Kopf. Die Rasse der Menorquiner hat sich aufgrund der Insellage gebildet. Diese Pferde mögen es, sich auf die Hinterbeine zu stellen. Bei Pferden anderer Rassen erlebt man das häufig nur, wenn die Tiere scheuen.

Menorquiner-Pferde beim Johannisfest
Edle Menorquiner-Pferde beim Johannisfest © Marta Ensesa, CC BY-SA 4.0

Die Freude am Aufstehen der Pferde nutzen die Bewohner Menorcas beim Fest von Sant Joan, dem Johannisfest. Am zweiten Tag der Feierlichkeiten, dem 23. Juni, ziehen Reiter auf den schwarzen Pferden durch die engen Gassen von Ciutadella. Im dichten Gedränge, zwischen Tausenden feiernden Einheimischen und neugierigen Besuchern steigen immer wieder die kunstvoll geschmückten Pferde empor. Wagemutige treten vor die Pferde und helfen, die Tiere möglichst lange auf den Hinterbeinen zu halten. Auch wenn es nicht immer danach aussieht: Die Reiter haben ihre Rosse dabei immer im Griff. Am dritten Tag des Festes, dem 24. Juni, kann man dann nochmals die schwarzen Rosse bewundern: bei den mittelalterlichen Reiterspielen auf Ciutadellas Pla de Sant Joan, dem Johannisplatz.

Unsere Literaturempfehlung:
MENORCA – Der Reiseführer von Robert Zsolnay
Menorca, zweitgrößte Insel im balearischen Archipel, präsentiert sich mit seinen mehr als 80 Stränden und dem 180 km langen Küstenrundwanderweg Camí de Cavalls wohltuend ruhig und unaufgeregt.
Fast die Hälfte der Inselfläche steht unter Naturschutz, der Großteil der menorquinischen Küste ist unverbaut und eignet sich hervorragend zum Baden, aber auch für ausgedehnte Wanderungen, Mountainbike-Touren und Ausritte. Die herrlichen Strände vor türkisem und smaragdgrünem Wasser fallen meist flach ins Meer ab und sind so ideal für Kinder.
In Tapas-Bars, Cafés und Restaurants sowie in den Gassen der drei charmanten Inselstädtchen Ciutadella, Maò und Alaior lässt sich das Leben genießen. Und wer genau hinsieht, wird überall die typisch spanische Leichtigkeit und Lebensfreude bemerken – die »alegría«.
Auf 18 Wanderungen, Radtouren und Stadtspaziergängen macht der Reiseführer in einem Extrakapitel den Zauber Menorcas für aktive Reisende erlebbar.