Drei einzigartige Bauwerke in Italiens unterschätztem Süden
von Friederike Reth
Wer an Architektur im Zusammenhang mit Süditalien denkt, hat zumeist weiße, kleine Kirchen vor Augen, windschiefe Häuser und vielleicht noch massive Burgen. Doch es gibt noch weitere, ungewöhnliche Meisterwerke in der Region.
Wie eine Gartenzwergsiedlung sehen sie von weitem aus, wenn sie hinter Weinbergen plötzlich auf einem Hügel auftauchen. Strahlend mattweiß, rund mit spitzen, meist schiefergrauen kegelförmigen Dächern, heben sie sich von der sie umgebenden Landschaft ab: Die Trulli, allgegenwärtige kleine Häuschen im Herzen der süditalienischen Region Apulien.
Die ersten Trullis wurden im 13. Jahrhundert gebaut, um ein Gesetz des Kaisers zu umgehen. Siedlungen durften nur mit kaiserlicher Zustimmung und gegen ein gewisses Entgelt errichtet werden. Um Geld für diese Erlaubnis zu sparen, wies der Graf Girangolamo II Acquaviva d’Aragona die Siedler der Gegend an, ihre Häuser ohne Mörtel zu bauen, da sie so schneller abgebaut und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden könnten, sollte die kaiserliche Kontrollkommission kommen.
Diese Bauweise hat sich bis heute erhalten, in manchen Ortschaften wie Alberobello gibt es sogar ganze Stadtviertel mit Häusern dieser Art. Mit ihren dicken Wänden und kleinen Fenstern bieten sie im Sommer einen guten Schutz gegen die trockene Hitze Apuliens, im Winter sind sie ein optimaler Wärmespeicher.
Mikado spielende Spinnen
Weniger massiv aber ebenso stabil und einzigartig sind die anderen typischen Bauwerke der Region, die so genannten Trabocchi. Wie Mikado spielende Spinnen sehen sie aus, wie sie wenige Meter von der Küste entfernt ins Meer ragen, hölzerne Häuschen nur durch schmale Stege mit dem Festland verbunden. So mancher hält sie für Ruinen, Überbleibsel vergangener Zeiten, doch werden sie immer noch zum Fischen genutzt. Der Vorteil: An den weit nach vorne ins Meer ragenden Streben kann ein großes rechteckiges Netz horizontal gleichmäßig abgesenkt und nach einiger Zeit wieder hochgezogen werden.
So fragil sie scheinen, so stabil sind sie. Die wackelig und instabil aussehenden Häuschen werden aus extrem widerstandsfähigem Holz von Robinien und Edelkastanien gebaut und wurden ursprünglich nur von Schnüren zusammengehalten. Dies gewährleistete die nötige Beweglichkeit und Widerstandskraft. Heutzutage werden die Trabocchi zwar zumeist mit Stahlpfählen und Nieten verstärkt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die ursprünglichen Fischerhäuschen stabiler waren, da sie flexibler auf Wind- und Wellenbewegungen reagieren konnten.
Einige der Trabocchi werden heute nicht nur zum Fischen genutzt, sondern wurden so ausgebaut, dass sie auch als Schlafplatz, Wochenendhaus oder manchmal sogar als Fischrestaurant genutzt werden können.
Die sandgelbe Krone Apuliens
Das Castel del Monte ist eines der bekanntesten Bauwerke Italiens. Wer es nicht aus der Eco Verfilmung „Der Name der Rose“ kennt, kennt es zumindest vom italienischen Ein-Cent-Stück. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde es nach Plänen des Stauferkaisers Friedrich II erbaut.
Nähert man sich, so kann man kaum die Augen von dem Bauwerk lassen, das zuerst als sandfarbener Kasten, dann als Krone und schließlich als eine Mischung aus Burg und Schloss anmutet. Allein steht es da auf seinem Berg, inmitten von hügeligem Nichts, die nächsten Dörfer scheinen Tagesreisen entfernt zu liegen. Wie als Erinnerung an die heutige Zeit scheinen da die zahlreichen Feuerwehrmänner, die im Sommer auf dem Berg rund um das Schloss positioniert sind und mit Ferngläsern die Umgebung nach Brandherden absuchen.
Unzählige Mythen ranken sich um das Gebäude, zahlreiche Wissenschaftler beschäftigen sich nahezu seit Bauende mit der Motivation für die Errichtung. Bereits an der Frage, ob es ein Jagdschloss oder ein Wehrbau sei, scheiden sich die Geister. Als Vorbild stehen sowohl die achteckige Kaiserkrone, als auch die ebenfalls achteckige Pfalzkapelle in Aachen, in der Friedrich II getauft wurde, zur Wahl. Möglich ist aber auch, dass das achteckige Gebäude mit den acht ebenfalls achteckigen Türmen eine Abwandlung des arabischen Baumusters ist – oder in Bezug auf bestimmte Sternenkonstellationen erbaut wurde. Auch einen Zusammenhang zur Cheops-Pyramide wurde bereits vermutet.
Da keine Dokumente aus der Zeit der Erbauung überliefert sind, werden diese Fragen möglicherweise nie geklärt werden.
Unsere Literaturempfehlung:
APULIEN – Der Reiseführer von Andreas Haller
Über Apulien liegt ein detaillierter Führer von Andreas Haller zum äußersten Südosten des italienischen Stiefels vor.
Die Mezzogiorno-Region präsentiert sich dem Besucher auf knapp 20.000 qkm Fläche und auf fast 800 Küstenkilometern an zwei Meeren vielschichtig und abwechslungsreich: Von der Ebene der Tavoliere um Foggia bis zum felsigen, im Innern über 1.000 m hohen Gargano, dem Sporn des Stiefels, oder der lang gezogenen Stiefelferse, dem Salento, sind alle Sehenswürdigkeiten enthalten.
Dazu Badeurlaub vom Feinsten an den weißen Sandstränden des Gargano, bummeln in Lecce und viel Geschichte in Castel del Monte.