Dein Kulturreisejournal

Modernisme in der Provinz Girona

Jugendstil landeinwärts

Wer sich bereits mit dem katalanischen Jugendstil in Barcelona und an der Costa Brava vertraut gemacht hat, wird bei einer Fahrt ins Hinterland der Provinz Girona auch die dort vorhandenen Zeugnisse aus der Zeit des so genannten Modernisme kennen lernen, die ebenso aufregend und aufschlussreich sind.

Die Route beginnt in der sehenswerten Provinzhauptstadt Girona, in der vor allem der Architekt Rafael Masó (1880-1935) Jugendstilgebäude von großem künstlerischem Wert hinterlassen hat. Der Sohn einer gutbürgerlichen Familie aus Girona hatte seine Ausbildung in Barcelona auf dem Höhepunkt des Jugendstils absolviert und zahlreiche Gebäude in der gesamten Provinz projektiert und umgebaut. Zu den wichtigsten Beispielen seines Schaffens in Girona gehören die Casa Teixidor mit ihrem von glasierten Keramikkacheln bedeckten Türmchen, die ehemalige Mehlfabrik Farinera Teixidor, deren Keramikfliesen und Zierelemente aus Schmiedeeisen deutlich den Einfluss von Gaudí zeigen, und die Casa Ribas Crehuet, deren mit Kassetten und Sgraffiti ausgestaltete Stein- und Stuckfassade ins Auge springt.

Farinera Teixidor
Die ehemalige Mehlfabrik Farinera Teixidor in Girona © Enric, CC BY-SA 4.0

Die Route verläuft weiter am Ufer des Ter entlang in Richtung Bescanó. Dort befindet sich das Wasserkraftwerk Comtes de Berenguer, das 1916 von Joan Roca i Pinet ganz im Zeichen des Modernisme entworfen wurde. In Anglès, der nächsten Station auf der Modernismus-Route kann man mit dem jugendstilmäßig umgebauten Wohnhaus Casa Cendra, ein weiteres Gebäude von Rafael Masó bewundern.

Von Anglès aus gelangt man durch die äußerst reizvolle Landschaft der Guilleries-Berge in den Verwaltungsbezirk Selva. Dort wartet der Kur- und Badeort Sant Hilari Sacalm mit bemerkenswerten Jugendstilbauten auf; darunter etwa die Kuranstalt des Balneari de la Font Picant oder das ehemalige Genossenschaftsgebäude. Nur sieben Kilometer von Sant Hilari entfernt befindet sich der von Enric Sagnier i Villavecchia erbaute Palais Villavecchia.

Von allen Orten im Verwaltungsbezirk Selva besitzt der Kurort Caldes de Malavella die meisten Zeugnisse aus der Zeit des Jugendstils. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts bildete sich hier eine beachtliche Kur- und Badetradition heraus, die vom katalanischen Großbürgertum nur allzu gern in Anspruch genommen wurde. Und so ließ man sich natürlich auch entsprechende Ferienhäuser bauen, die vorwiegend in dem zur damaligen Zeit vorherrschenden Modernismus konzipiert wurden. Auf diese Weise entstanden an die zwanzig beeindruckende Jugendstilbauten, unter denen die Kurhotels Balneari Vichy Catalan und Balneari Prats sowie die Casa de les Punxes, die Casa Rosa oder Casa Estapé und die Casa Mas i Ros besondere Erwähnung verdienen.

Balneari Vichy Catalan
Kurhotel Balneari Vichy Catalan © Cherubino, CC BY-SA 3.0

60 Kilometer von Caldes de Malavella entfernt liegt Figueres, das durch das weithin bekannte Dalí-Museum zu internationalem Ruhm gelangt ist. Doch auch andere kulturelle Schätze machen einen Besuch der Stadt zu einem einzigartigen Erlebnis. Im Zuge eines allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert etliche Wohnhäuser errichtet, die sich begüterte Familien im Geschmack des Jugendstils bauen ließen. Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang die Casa Puig Soler, die Casa Mas-Roger, die Casa Salleras und die Casa Roda. Ferner entstanden im Stil des Modernisme das erste Kino der Provinz Girona, die „Sala Edison“, das Filmtheater El Jardí, das Casino Menestral und der frühere städtische Schlachthof. Verantwortlich für all diese Gebäude zeichneten vor allem die Architekten Josep Azemar, Josep Martí, Sebastià Pi, Josep Bori und Llorenç Ros.

Casa Roda
Die Casa Roda in Figueres © Enfo, CC BY-SA 3.0

Die in den Pyrenäen gelegenen Ortschaften Camprodón und Ripoll sind die nächsten Stationen der Modernismus-Route. Die nicht zu übersehende Präsenz des Jugendstils geht in Ripoll auf die industrielle Entwicklung der Stadt um die Jahrhundertwende zurück. In Camprodón lässt sie sich durch die große Beliebtheit als Sommerfrische erklären, wo sich speziell am Passeig de Maristany etliche begüterte Familien aus Barcelona ihre Sommerhäuser bauen ließen. Besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang Can Oliveda, Can Torrent, El Casal, Can Winkle, Can Conde, Can Cabot, Can Mas de Xeixàs, Can Guasch und Can Maristany. Der Ort besitzt ferner ein dem Komponisten Isaac Albéniz gewidmetes Museum und ist Ausgangspunkt für wunderschöne Ausflüge in das gleichnamige Tal.

El Casal in Camprodon
El Casal in Camprodon © Enfo, CC BY-SA 4.0

Auch das um sein romanisches Kloster und den mittelalterlichen Stadtkern herum gewachsene Ripoll kann eine Hand voll bemerkenswerter Jugendstilbauten aufweisen, darunter speziell Can Bonada, Sant Miquel de la Roqueta, Can Codina, die Casa Dou und die Casa Alòs.

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Spätestens seit den katalanischen Unabhängigkeitsbemühungen im Herbst 2017 weiß jeder Reisende, dass sich die Katalanen als eine eigenständige »Nation« verstehen, die nicht mit »Restspanien« in einen Topf geworfen werden sollte. Erstmals ins Rampenlicht gerückt war die nordostspanische Region 1992, als ihre Hauptstadt Barcelona die Olympischen Sommerspiele ausrichtete.Doch Katalonien besteht nicht nur aus seiner im Spannungsfeld zwischen traditionellem Alltag und unwiderstehlichem Nachtleben überaus schillernden Metropole. Auch die Küstenzonen und die weniger bekannten Attraktionen abseits der Hauptrouten warten auf eine Neuentdeckung. Die fantastischen Landschaften – darunter der »sprudelnde« Nationalpark Aigüestortes und die ausgedehnten Reisfelder im Ebro-Delta –, die schmucken Bergdörfer und historische Kostbarkeiten wie die Altstadt von Girona sind jede Reise wert.
Thomas Schröders Reiseführer hilft mit unzähligen Tipps, eine stolze Region näher kennenzulernen.