Dein Kulturreisejournal

Lübeck und das Holstentor

Wahrzeichen inmitten einer Welterbestadt

von Duygu Yilmaz

Enge Gässchen, kleine Straßen und altertümliche Brücken – eine typische Beschreibung der idyllischen Silhouette Lübecks. Jedoch ragen vor dieser atmosphärischen Altstadt zwei mächtige Türme und ein massiver Mittelbau aus Backstein hervor. Das Lübecker Holstentor. Auf den ersten Blick grob und massiv, enthüllt das Meisterwerk erst auf den zweiten Blick filigrane Bauelemente und elegante Ornamente. Während die eine Seite für den Kampf ausgebaut wurde, zeigt die andere ihre architektonische Schönheit umso mehr.

Holstentor in Lübeck
Das Holstentor in Lübeck © IBK

Kleine Gässchen und verwinkelte Hinterhöfe eingetaucht im mittelalterlichen Flair. Eine Altstadt, umflossen von Wasser. Sieben Türme monumentaler Kirchen, die weit in den Himmel ragen – Lübeck verspricht historisches und gleichzeitig lebendiges Ambiente. Bei den insgesamt 210 Brücken bleibt auch der Gedanke an „Klein-Venedig“ nicht fern. Original historische Straßen und Plätze führen zu unzerstörten Altstadtbereichen. Nicht umsonst hat das Welterbe-Komitee der Unesco die Hansestadt mit dem mittelalterlichen Kern im Dezember 1987 als Welterbe anerkannt:

„Die Altstadt stellt als Gesamtkunstwerk ein hervorragendes Beispiel eines Siedlungsgebietes dar, das einen bedeutsamen Abschnitt in der Entwicklung der Menschheit versinnbildlicht.“

Und vor dieser unverwechselbaren Silhouette steht ein monumentales Bauwerk: Das im Jahre 1464 bis1478 erbaute Holstentor. „Concordia domi foris pax“ – „Drinnen Eintracht – draußen Friede“. So lautet die Inschrift des Stadttores, welches die idyllische Stadt durch seine Robustheit förmlich durchbricht. Die prächtigen, vergoldeten Buchstaben verzieren den Eingang des Tores und entblößen den Reichtum der Stadt. Die zwei mächtigen Türme, die ihren Mittelbau umstellen, lassen den Besucher in das 15. Jahrhundert eintreten.

Inschrift Holstentor
Die Inschrift auf der Feldseite © IBK

Ursprünglich gehörten zum heutigen Holstentor noch drei weitere Tore, die aber nicht mehr erhalten sind. Neben dem Holstentor stand nämlich einst noch ein inneres Tor, zwei äußere Tore. Das heutige Holstentor war lediglich das mittlere Tor.

Diese Anlage begrenzte die Stadt nach Westen und war Teil der Befestigung, die rund um Lübeck erbaut wurde. Starke Mauern mit nahezu unzerstörbaren Toren sollten die wohlhabende Stadt vor Feinden bewahren. Heute sind davon nur noch Überreste vorzufinden. Das Holstentor ist besonders gut erhalten: Es verfügt noch über alle vier Stockwerke, von welchem der Mittelbau jedoch kein Erdgeschoss hat, da sich hier das Durchgangstor befindet. Die Tiefe der Durchfahrt beträgt 8,85 Meter. Das Tor selbst steht auf einer circa 3,50 Meter hohen Aufschüttung aus Torf, in die es bereits, aufgrund seines enormen Gewichts, circa 50 Zentimeter eingesunken ist. Aber das Bauwerk hat auch weitaus weniger grobe Elemente zu bieten:

Heraldische Lilien, Distelblätter und symmetrische Gitter, abwechselnd auftauchend mit einem immer wiederkehrenden Wappenschild, die von zwei Wappenträgern umrahmt sind – erst auf den zweiten Blick offenbart das Meisterbauwerk seine weitaus eleganteren Seiten. Denn rund um das Gebäude verlaufen zwei sogenannte Terrakottabänder. Diese bestehen aus einzelnen, meist quadratischen Platten.

Terrakottabänder am Holstentor
Terrakottabänder am Holstentor © IBK

Das Bauwerk repräsentiert außerdem typische Kunstelemente der norddeutschen Backsteingotik: Auch gemauerte Ornamente und eine farbliche Flächenstrukturierung verleihen dem Bau eine besondere Eleganz, trotz ihrer Massivität. Rote, weiße und schwarze Backsteine zaubern im raffinierten Wechselspiel ein besonderes Muster.

Dabei besteht das Gebäude aus zwei grundlegend verschieden gebauten Seiten: Da die Feldseite der Eingang zur Stadt war, ist sie auf Gefechtsituationen ausgelegt: Sie besitzt nur wenige und kleine Fenster, aus denen im Ernstfall Pech oder kochendes Wasser auf die Feinde geschüttet werden konnte. Außerdem ist die Mauer mit einer Dicke von 3,5 Metern weitaus gewaltiger und mit Schießscharten durchsetzt. 30 Geschütze fanden darin Platz, auch wenn aus ihnen nie auch nur ein Schuss abgefeuert wurde.

Die Stadtseite wiederum wurde mit eleganteren Stilelementen gestaltet: Sie ist reich an Fenstern und hat eine Mauerdicke von nur circa 1 Meter Durchmesser. An das Tor auf der Stadtseite wurde außerdem die Abkürzung „S.P.Q.L.“, also „Senatus populusque lubecensis“ angebracht. Auf deutsch bedeutet dies: “Senat und Volk von Lübeck“. Dies geschah im Zuge überraschender Renovierungsarbeiten im Jahre 1863 bis 1871. Zuvor diskutierte man noch darüber, ob das Holstentor nicht ganz abgerissen werden solle.
Seit 1950 befindet sich in den Räumen des Holstentores das Stadtgeschichtliche Museum. Das meisterliche Bauwerk ist als Wahrzeichen Lübecks nicht mehr wegzudenken.

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LÜBECK – Der Reiseführer von Matthias Kröner
Wer nicht in Lübeck war, der kennt Deutschland nicht.
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In fünf Spaziergängen entwirft Matthias Kröner ein lebendiges Bild der hanseatisch-entspannten Ostseestadt. Die Touren werden begleitet von einem umfangreichen Serviceteil, in dem es u. a. darum geht, wo man einkehren sollte, wenn man dringend eine Sightseeing-Pause braucht.
Wer will, kann dann noch einen Ausflug auf der Wakenitz unternehmen, dem verschlungenen und wilden »Amazonas des Nordens«, ein 4.000-jähriges Hünengrab besuchen oder das gut gemachte Grenzmuseum im kleinen Schlutup ansteuern, wo einst die Zonengrenze zur DDR verlief.