Dein Kulturreisejournal

Literarisches Dublin

Unesco City of Literature

von Annika Lampe

„Ich möchte ein Abbild von Dublin erschaffen, so vollständig, daß, wenn die Stadt eines Tages plötzlich vom Erdboden verschwände, sie aus meinem Buch heraus vollständig wieder aufgebaut werden könnte.“

James Joyce über Ulysses

Dass James Joyce dies auch gelungen ist, wird jedes Jahr am 16. Juni, also an dem Tag an dem seine Geschichte Ulysses spielt, deutlich. Der nach dem Protagonisten, Leopold Bloom benannte Bloomsday ist nicht nur eine der größten Touristenattraktionen Dublins, auch viele Dubliner nehmen diesen Tag zum Anlass, auf seinen Spuren zu wandeln.

Dabei wird nicht nur diesem richtungsweisenden Roman gedacht, vielmehr wird jener Tag im Jahr 1904 noch einmal wirklich durchlebt: mit einem Gorgonzola-Brot bei Davy Byrne’s, das natürlich standesgemäß mit einem Burgunder heruntergespült wird, oder eben mit dem Stück Zitronenseife für die Hosentasche von Sweny’s im Lincoln Place.

James Joyce
James Joyce © wikipedia

Doch nicht nur die Joyce-Fans schenken diesem Tag besondere Aufmerksamkeit, auch die Betreiber zelebrieren ihre Erwähnung in James Joyce Werk gebührend. So findet sich dieses spezielle Menü bei Davy Byrne’s exklusiv nur am Bloomsday – der übrigens der einzige inoffizielle „Feiertag“ ist, der einem Roman gewidmet ist. Und auch wenn Miss Sweny nicht mehr die Besitzerin der Apotheke ist, so wird diese doch immerhin in ihrem Namen weitergeführt und ist mittlerweile sogar Veranstaltungsort für täglich stattfindende Lesungen zu James Joyce.

Überall in Dublin finden sich diese literarisch-bedeutenden Orte. Sie sind einer der Gründe dafür, dass Dublin den Unesco-Titel „City of Literature“ verliehen bekommen hat. Damit ist Dublin nach Edinburgh, Iowa City und Melbourne die vierte Stadt, die sich mit diesem Titel schmücken darf. Und die Dubliner sind zu recht stolz. Denn mit George Bernard Shaw, Samuel Beckett, W. B. Yeats und Seamus Heaney hat die Stadt allein vier Literatur-Nobelpreisträger hervorgebracht. Ganz zu schweigen von den zahlreichen anderen gebürtigen Dubliner Autoren, wie Oscar Wilde, Jonathan Swift oder Sean O’Casey, die die Literatur maßgeblich geprägt haben und nach denen sogar Fähren, Brücken und Pubs in Dublin benannt sind.

Sean O'Casey Brücke
Die Sean O’Casey Brücke in Dublin © Peter Misi, CC BY-SA 3.0

Ein weiterer ausschlaggebender Faktor für den Unesco-Titel ist das Projekt „One City, One Book“. Jedes Jahr ist einen Monat lang das Werk eines bestimmten Dubliner Autoren Programm. Ob im Park, in der Bahn oder im Pub: die ganze Stadt liest ein Buch. Im Jahr 2011 wurde Joseph O´Connors Roman „Ghost Light“ zum kollektiven Leseerlebnis. Nicht nur die Idee und Umsetzung an sich, sondern auch die dazugehörigen Ausstellungen haben „One City, One Book“ zu einem wahren Kulturereignis heranreifen lassen.

Wer wiederum in die irische Literatur eintauchen möchte, ohne vorab sämtliche Bücher zu wälzen, kann dies wunderbar bei einem „Literary Pub Crawl“ tun:

Zwei Schauspieler, ein bewegliches Publikum und viel irischer Witz machen diesen Abend zu einem echten (Literatur-)Erlebnis. Dabei begibt man sich an die Orte, an denen zum Beispiel Oscar Wilde beim Spazieren seinen Gedanken freien Lauf ließ oder wo Bram Stoker sich die Inspiration zu seinem „Dracula“ holte. Untermalt wird das Ganze mit Szenen aus historischen Stücken, berühmten und witzigen Aussprüchen der Schriftsteller und gutem irischen Bier. So erkundet man doch gerne die schönsten Pubs Dublins!

O'Donoghue's Pub
Die traditionsreiche O’Donoghue’s Pub © Kglavin, CC BY-SA 3.0

Doch es gibt noch viel mehr Sehenswürdigkeiten in Dublin, die mit Literatur in Verbindung stehen: Zum Beispiel werden im Dublin Writers’ Museum die Personen hinter den Werken der letzten 300 Jahre zum Leben erweckt. Wussten Sie zum Beispiel, dass Oscar Wilde während seiner Zeit am Trinity College ein vielversprechender Boxer war? Oder dass der Nobelpreisträger Samuel Beckett sich bereits vor seiner literarischen Karriere einen Namen im Cricket gemacht hatte?

Das sehr lebendige Bild durch Bücher, Briefe, Portraits und persönliche Gegenstände macht das Dublin Writers’ Museum zu einem Must-See.

Wer nach diesem Besuch Appetit auf mehr Literatur bekommen hat und sich tiefgehender mit den Werken beschäftigen möchte, ist im Abbey Theatre gut aufgehoben. Mit dem Wunsch nach einem Nationaltheater, in dem „die tieferen Gedanken und Gefühle Irlands” zum Ausdruck kommen, wurde das Abbey Theatre 1904 von W.B. Yeats und der literarischen Mäzenin Lady Gregory gegründet. In seiner Anfangsphase war das Theater eng mit Schriftstellern der irischen Renaissance verbunden, die im weitesten Sinne eine Rückbesinnung zur irischen Identität und Kultur zum Ziel hatten. Außerdem diente das Theater vielen irischen Dramatikern und Schauspielern des 20. Jahrhunderts als Bühne. Durch Gastspiele im Ausland wurde das Theater über seine Tore hinaus berühmt und zu einem wichtigen Pfeiler des irischen Tourismus. Die Unesco-Ehrung zur „City of Literature“ nahm das Theater zum Anlass, zu seinen Ursprüngen zurück zu kehren und sich wieder mit den Dubliner Klassikern auseinander zu setzen.

Abbey Theatre in Dublin
Das berühmte Abbey Theatre in Dublin © bjaglin – Flickr, CC BY 2.0

Wer etwas mehr Zeit mitbringt, für den könnte auch eins der zahlreichen Festivals in Irland interessant sein. Mit Literatur beschäftigt sich zum Beispiel das West Cork Literaturefestival in Bantry ausgiebig: Neben irischen Erfolgautoren, treten hier auch internationale und unbekannte Künstler im Alter von 14 – 82 Jahren auf und überraschen teils mit unterhaltsamen, teils mit nachdenklichen Texten. Überraschend kann auch die Begegnung mit einem bereits verstorbenen Künstler sein. Denn auch diese wandeln über das Festivalgelände und tauchen bei Events und Lesungen auf. Also halten Sie Ausschau! Vielleicht begegnet Ihnen ja James Joyce…

Unsere Literaturempfehlung:
DUBLIN – Der Reiseführer von Ralph Raymond Braun
Jung, rasant und voller Energie: Irlands Hauptstadt ist eine mondäne und schillernde Metropole – und verwandelt sich an den Tresen seiner Pubs doch Abend für Abend in ein heimeliges und gemütliches Dorf, in dem man sich Runde um Runde näher kommt. Musiker von Händel bis Bono und Dichter von Swift bis Roddy Doyle fanden wohl auch hier die Atmosphäre und den Stoff für ihre kreativen Höhenflüge.
Größter baugeschichtlicher Schatz Dublins ist seine hübsche Altstadt mit dem ehrwürdigen Trinity College, seinen georgianischen Häuserzeilen, den repräsentativen Prunkbauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert und – wie es sich gehört – einem veritablen Schloss. Das architektonische Kontrastprogramm bilden die Docklands mit ihren postmodernen Glaspalästen.