Dein Kulturreisejournal

Handwerk und Heilige

Eine Reise durch Bulgarien

von Friederike Reth

Sanfte, mit dichtem Laubwald bedeckte Hügel. Die Sonne scheint, Es ist ruhig. Bulgarien ist nicht das Land der sieben Zwerge, aber man fühlt sich ein wenig wie hinter den bekannten sieben Bergen.

Goldstrand, Sonnenstrand und das schwarze Meer sind beliebte Ziele unzähliger Urlaubsreisen. Auch Sofia lockt zahlreiche Besucher an. Doch alles zwischen Hauptstadt und Schwarzmeerküste ist touristisch immer noch weitgehend unentdecktes Land.

Seit 2007 ist Bulgarien Mitglied der Europäischen Union, aber im Landesinneren mutet es an, wie ein Land zwischen Zeiten und Kulturen. Kyrillische trifft auf Lateinische Schrift. An den Fernstraßen stehen Zwiebelverkäufer, in den Städten sieht man bekannte Markennamen von Fastfood-Ketten oder Schuhdiscountern.

Altstadt von Veliko Tarnovo
In der Altstadt von Veliko Tarnovo © Matthias Pätzold

Veliko Tarnovo war einst Hauptstadt dieses Landes. 240 Kilometer ist die Stadt von der bulgarischen Landeshauptstadt Sofia entfernt. Eine kleine Reise über Autobahn und Landstraße, vorbei an Pferdekutschen und Schafherden, immer entlang des Balkangebirges. Einzelne Kühe am Straßenrand.

Stara Planina, das „alte Gebirge“ nennen die Bulgaren den Balkan. Er zieht sich von Westen nach Osten und teilt das Land in zwei Teile und fünf Klimazonen. Veliko Tarnovo liegt an den Nordhängen des Gebirges, zwischen Balkan und Donauebene. Bereits in der Bronzezeit, vor etwa 4000 Jahren, siedelten hier Menschen. Die Kleinstadt, die heutzutage vor allem von ihrer Textilindustrie lebt, war zwischen 1187 und 1393 Hauptstadt des 2. bulgarischen Reichs. Während der knapp fünf Jahrhunderte dauernden osmanischen Herrschaft in Bulgarien litt die Stadt sehr, doch nach der Befreiung durch russische Truppen 1878 entstand hier ein Jahr später die erste bulgarische Verfassung.

Festung Tsarevets
Die Festung Tsarevets auf einem der Hügel © Matthias Pätzold

Auf einem Berg über der Stadt thront die Festung Tsarevets, Berg der Zaren. Alte Steine führen den Berg hinauf. Der Weg ist steil und uneben. Ruinen säumen den Weg. Man bekommt einen kleinen Eindruck, wie das Leben hier früher gewesen sein muss und einen großen Ausblick über das Land. Leichter Nebel hängt über den Hügeln. Unten im Tal gluckert die Jantra leise vor sich hin.

Fluss Jantra
Der Fluss Jantra fließt in weiten Bögen zwischen den Hügeln der Stadt © Matthias Pätzold

Nachts wird die Festung angestrahlt, es gibt eine bunte Licht- und Musikshow, die man von verschiedenen Punkten der Stadt bestaunen kann, doch tagsüber steht sie kahl und einsam auf ihrem Hügel. Von der Festung aus ein Blick über die Umgebung: sanfte Hügel, schroffe Felsen, reiche Wälder. In der Ferne liegt Arbanasi.

Das kleine Dorf, das zum Weltkulturerbe gehört, befindet sich nur vier Kilometer von Veliko Tarnovo. Enge Straßen biegen sich den Berg hoch, junge Katzen wühlen sich durch Blumen und Gestrüpp am Wegrand. Zaren und kommunistische Herrscher nutzten den beschaulichen Ort zu Füßen des Zentralbalkans früher als Sommerresidenz. Heute lieben Touristen die idyllische Ruhe zwischen den Hügeln. Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden hier über 90 Kirchen und Klöster. Eines der ältesten Gotteshäuser ist die Kirche „Christi Geburt“. Unscheinbar wie eine alte Scheune oder ein Kuhstall mutet sie von außen an. Ein lang gestrecktes, flaches Gebäude ohne Fenster. Ein kleiner Garten drum herum. Betritt man die Kirche, kommt man aber aus dem Schauen und Staunen nicht mehr hinaus. Über 3.500 biblische Abbildungen schmücken die Wände.

Kirche "Christi Geburt" in Arbanassi
Unscheinbar, aber ein echtes Juwel, die Kirche „Christi Geburt“ in Arbanassi
© Svilen Enev, CC BY-SA 3.0

Das Hauptschiff wurde Ende des 16. Jahrhunderts gebaut und ist dem Leben Jesu gewidmet. Der später hinzu gefügte Vorraum zeigt das Leben der Mutter Gottes, die Galerie, früher eine offene Arkade, illustriert die einzelnen Tage des Kirchenkalenders. Die Kirche steht inzwischen unter Denkmalschutz, dient allein zur Freude der kunstinteressierten Touristen. Gottesdienste werden hier nicht mehr abgehalten.

Fresken im Innern der Kirche "Christi Geburt"
Unzählige Fresken im Innern der Kirche „Christi Geburt“ © Svilen Enev, CC BY-SA 3.0

Bulgarien ist reich an Kirchen. Während der osmanischen Herrschaft, beziehungsweise dem osmanischen Joch, wie es die Einheimischen bezeichnen, waren die Kirchen der einzige Ort, in dem die bulgarische Sprache und vor allem die kyrillische Schrift noch heimlich gelehrt wurden. Die meisten Kirchen sind christlich-orthodox, verfügen über wenige Bänke, dafür aber über umso mehr Fresken.

Das Sokolski Monastir, Falkenkloster auf Deutsch, wurde 1833 mit Spendengeldern der Bürger von Gabrovo errichtet. Der Weg zum Kloster führt über enge, steile Straßen durch den Wald, immer entlang des Abhanges. Oben angekommen betritt man eine viereckige Gebäudeanlage. Ein Brunnen sprudelt in der Mitte. Eine ältere, beleibte Frau ruht sich auf einer Bank unter einem Baum aus. In der Mitte des Raumes bollert ein Ofen. Besucher treten sich auf die Füße, fasziniert von der reichen Bemalung und den bunten Andenken. Vor der Kapelle ein paar Gräber hinter einem schmiedeeisernen Zaun.

Sokolski Monastir
Das Sokolski Monastir liegt traumhaft in den Ausläufern des Balkangebirges
© Rabotna007, CC BY-SA 4.0

Nicht nur Heiligenbilder sind beliebte Souvenirs, auch die kunstvoll gefertigten, buntbemalten Tongefäße. Man findet sie jedoch nicht nur in zahlreichen Souvenirläden im ganzen Land, man erhält sie auch gut gefüllt mit Bohnensuppe in traditionellen Lokalen. Eines dieser Lokale befindet sich in Boshenzi. Gerade einmal 38 Einwohner zählt der kleine Ort. Der Legende nach wurde er von einer Bojarin namens Boshana gegründet, die sich auf der Flucht vor den Osmanen befand. Nachdem diese Veliko Tarnovo eingenommen hatten, versteckte Boshana sich im Balkangebirge und gründete hier ein Dorf. Die Häuser hier wurden alle einheitlich im Stil der bulgarischen Wiedergeburt errichtet, aus Stein und Kalk mit zahlreichen Verzierungen.

Doch nicht nur für sein Tonhandwerk ist Bulgarien bekannt, auch Holzschnitzerei gehört zu den bulgarischen Künsten. Davon zeugt das Hausmuseum Daskalov in Trjavna. Im Erdgeschoss eine Holzskulpturen Ausstellung. Fein geschnitzte Ikonen geben hier einen Einblick in diese Kunst. Im ersten Stock zwei Zimmer: das Frauenzimmer mit Kamin, kleinen Hockern auf dem Boden, einem Spinnrad. Im angrenzenden Herrenzimmer eine kunstvoll geschnitzte Zimmerdecke, Bänke.

Holzschnitzkunst im Hausmuseum Daskalov
Holzschnitzkunst im Hausmuseum Daskalov in Trjavna © Adam Jones, CC BY-SA 2.0

Da er an einem der Hauptübergänge des Balkans gelegen ist, genoss der Ort während der osmanischen Herrschaft etliche Privilegien, so dass sich die Mal- und Holzschnitzschule frei entfalten und einen eigenen Stil entwickeln konnte. Künstler aus Trjavna prägten ab dem 17. Jahrhundert die Kunst des ganzen Landes. Heute noch ist die Stadt bekannt für ihre Holzschnitzkunst und Ikonenmalerei. Aber auch die Altstadt ist einen Besuch wert. Hier zeugen 140 Häuser von der Schönheit der bulgarischen Renaissance. Die Kinder der Stadt würdigen diesen Sehenswürdigkeiten allerdings keinen Blick, auch die zahlreichen Handwerks- und Souvenirläden lassen sie links liegen. Für sie zählt nur der Popcornladen, dessen Duft die Straßen erfüllt.

Trjavna
Das Örtchen Trjavna © Borislav Krustev, CC BY-SA 4.0

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