Dein Kulturreisejournal

Fado

Die Seele Portugals

Fado bedeutet Schicksal. Und Fado ist weder Folklore noch Volksmusik. Vielmehr, so sagt man, ist Fado der Ausdruck der portugiesischen Seele, der viel beschworenen saudade. Doch es ist nicht Portugal, das den Fado hervorgebracht hat.

Entstanden sind die herbzarten Lieder über die Schwere des Alltags, die Schmerzen der Liebe, die Sehnsucht nach dem Meer, die verzweifelte Suche nach etwas nie Gehabtem oder für immer Verlorenem in den Armenvierteln von Lissabon.

Amália Rodrigues als Wandbild
Amália Rodrigues als Wandbild © LD, CC BY 2.0

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts hörte die Lissabonner Gesellschaft in den Volkskneipen der Alfama, der Mouraria, des Bairro Alto und des Madragoa-Viertels erstmals die innigen Klänge des Fado. Seine berühmteste Interpretin damals war Maria Severa, die singende Kurtisane aus der Mouraria. Ihren Gesang – und den der meisten fadistas nach ihr – begleitete die viola, die klassische Gitarre, und die guitarra portuguesa, eine Art Laute.

Geburtshaus als Pilgerstätte
Die unvergessene, große alte Dame des Fado im 20. Jahrhundert ist Amália Rodrigues. Auch nach ihrem Tod (1999) wird sie – vor allem in ihrem Geburtsviertel, der Alfama – noch immer wie eine Göttin verehrt. Amálias Wohnhaus in Lissabon, das im Juli 2001 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, hat sich nicht nur bei den Lisboetas zur Pilgerstätte entwickelt (CD-Tipp: –> Amalia No Cafe Luso).

Inzwischen haben junge Sängerinnen wie Mísia, Cristina Branco oder Mariza die Fado-Tradition entdeckt, mit Hilfe von zeitgenössischen Texten runderneuert und mit neuem Leben erfüllt. Mit dem überraschenden Erfolg, dass Fado heute vitaler und im kulturellen Leben Portugals wichtiger ist als noch vor zehn Jahren.

CD-Cover Paixoes Diagonais
CD-Cover Paixoes Diagonais, Mísia

Mísia, deren stets kreidebleich geschminktes Gesicht mit den knallroten Lippen zum Symbol des „neuen Fado“ wurde, sorgte 1999 mit ihrem Album -> Paixoes Diagonais („Diagonale Leidenschaften“) für die Initialzündung. Ihre Lieder bedeuteten eine Kulturrevolution, denn statt schmalziger Herzschmerz-Texte vertonte sie Gedichte der namhaftesten Literaten der Gegenwart – Texte von Mário Cláudio, Lídia Jorge und Literaturnobelpreisträger José Saramago.

„Ihr Ausländer denkt vielleicht, dass Fado und Saudade etwas sehr Trauriges sind. Aber für uns Portugiesen ist Saudade ein angenehmes Gefühl. Saudade ist nicht nur Nostalgie, nicht nur das Aroma von längst Vergangenem oder frisch Verwehtem, Saudade ist ein Versprechen. Etwas, das nicht sterben kann.“

Mísia

Moderne Spielarten und Interpretationen
Andere Fadistas griffen ihren mutigen Schritt auf und entwickelten die einst so strenge Kunstform behutsam weiter – mit dezent eingesetzten Synthesizerklängen hier, ein paar brasilianischen Einflüssen dort, mit Jazz und Pop und Elektronik.

Die legitimen Erben der großen Amália heißen Dulce Pontes, die traditionelle Klänge mit elektronischen Sounds auffrischt (CD-Tipp: -> O primeiro canto), Cristina Branco, deren Texte oft für Fado ungewöhnlich deutliche erotische Botschaften enthalten (CD-Tipp: -> Sensus) und Mariza, die Tradition um brasilianische Rhythmen erweitert (CD-Tipp: -> Transparente).

CD-Cover Sensus
CD-Cover Sensus, Cristina Branco

Wie lebendig der Fado wieder ist, lässt sich in zahlreichen Lokalen in der Alfama oder im Bairro Alto erleben. Am eindrucksvollsten aber ist Fado, wenn man ihn ganz schmucklos erlebt: in irgendeiner Nachbarschaftskneipe, wo unter grellen Neonröhren die Bewohner des Viertels in den Wettstreit um die schönste Melodie, um die beste Darbietung treten.

CD-Cover transparente
CD-Cover transparente, Mariza

Studentische Variante
Eine etwas andere Art des Fado ist im 19. Jahrhundert in den studentischen Kreisen von Coimbra entstanden. Hier handeln die Lieder oft vom Studentenleben und der Liebe. Berühmt wurde der Sänger José Afonso, und auch der Gitarrist Carlos Paredes, den es später nach Lissabon zog, stammt ursprünglich aus Coimbra.

Auch die Art, seine Begeisterung für die vorgetragenen Lieder zu zeigen, unterscheidet sich: Während in Lissabon das Publikum meist bei den letzten Akkorden in lauten Beifall ausbricht, war es in Coimbra lange Zeit üblich, seine Zustimmung nur durch ein lautes Räuspern oder gedämpftes Hüsteln zu äußern.

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