Murales für Mexiko
von Julia Marhenke
Der Bezug zur indigenen Kultur ist nicht zu übersehen, wenn man im Regierungspalast Mexikos steht. Bunte Fresken ziehen sich über mehrere Wände. Bräuche und Produkte der Indios sind dargestellt. Vor allem aber auch deren Unterwerfung und Ausbeutung im Zuge der spanischen Eroberung.
1886 in Guanajuato geboren sollte Diego Rivera sich zu einem der bedeutendsten mexikanischen Künstler der Moderne entwickeln. Vor allem für seine großflächigen Wandmalereien, die Murales, ist er bekannt, auch wenn er zudem noch Tafelbilder, Zeichnungen und Illustrationen produziert hat.
Seine Eltern, beides Lehrer, förderten sein zeichnerisches Talent von klein auf. Durch die Herausgabe einer liberalen Zeitschrift litt jedoch das Ansehen seines Vaters so gravierend, dass die Familie nach Mexiko Stadt umzog. Das Geburtshaus beinhaltet inzwischen ein kleines Museum mit rund 70 Bildern und Skizzen des Malers.
Ausflüge in verschiedene Stilrichtungen
Noch während seines Kunststudiums traf der junge Rivera auf den Landschaftsmaler Gerardo Murillo, der ihn maßgeblich durch seine Wertschätzung der indigenen Kunst und der mexikanischen Kultur beeinflusste. Seine Lehren über die zeitgenössische Kunst Europas gaben Rivera zudem den Anstoß, selbst dorthin zu reisen.
Vor Ort beschäftigte er sich mit den unterschiedlichsten Kunstrichtungen. Vor allem aber der Kubismus hatte es ihm angetan. Erst ein Streit über sein Werk „Zapatistische Landschaft – Der Guerillero“ brachte ihn dazu, diesen Stil hinter sich zu lassen. Das Bild zeigte den Führer der mexikanischen Revolution, die 1910 begann und ein gutes Jahrzehnt andauern sollte, zusammen mit mehreren auf die Revolution verweisenden Symbolen. Orthodoxen Vertretern des Kubismus erschien dieses Bild zu freizügig.
Allgemein verfolgte Rivera die mexikanische Revolution mit großem Interesse und stellte sie thematisch in vielen seiner Werke dar. 1921 brachte die politische und soziale Entwicklung seines Heimatlandes ihn schließlich dazu, zurückzukehren. Kurz zuvor hatte er den Kunstschriftsteller Elie Faure kennen gelernt. Ihrer beider Diskussionen über die italienische Renaissance und den allgemeinen sozialen Stellenwert von Kunst brachten Rivera dazu, sich von nun an mit Wandmalereien zu beschäftigen.
Murales als politisches Instrument
Kaum in Mexiko angelangt, nahm ihn die Regierung in das kulturelle Bildungsprogramm der Regierung auf, das sich um die soziale und ethnische Gleichstellung der indigenen Bevölkerung bemühte. Ziel des Programms war es auch, eine eigene mexikanische Nationalkultur zu etablieren, die sich in Wandmalereien in öffentlichen Gebäuden zeigen sollte.
Rivera, der sich sowieso politisch interessierte und Anfang der 20er Jahre zudem der Kommunistischen Partei Mexikos beitrat, nahm diese Chance gerne wahr. Italienische Freskotechnik kombiniert mit indigenen Elementen, kommunistischen und sozialen Aussagen und umfassenden Geschichtsdarstellungen wurde zu Riveras Markenzeichen. Die ihm zur Verfügung stehenden Flächen nutzte er, um nicht nur soziale Gegebenheiten des alltäglichen Lebens festzuhalten, sondern um vielmehr komplette historische Erzählungen abzubilden.
Im Rahmen dessen versah er unter anderem das Sekretariat für Öffentliches Bildungswesen, den Nationalpalast und den Palast der Schönen Künste mit Wandmalereien. Und auch in den Vereinigten Staaten war er künstlerisch tätig. Das Museum of Modern Art in New York widmete ihm1930 eine Ausstellung, für die er mehrere portable Fresken schuf. Da er seine politischen Werke in den Vereinigten Staaten aber nicht frei umsetzen konnte – seine Befürwortung des Kommunismus widersprach vehement dem dort vorherrschenden Kapitalismus –, verließ er diese bald wieder.
Ausschlaggebend dafür war vor allem seine Arbeit im Rockefeller Center „Der Mensch am Scheideweg, hoffnungsvoll in eine bessere Zukunft blickend“. Rivera änderte die genehmigte Vorzeichnung seines Wandgemäldes ab und arbeitete Lenin als Vertreter der neuen Gesellschaft hinein. Die Bitte, ihn wieder zu übermalen, lehnte er ab und so wurde das Gemälde erst verdeckt und anschließend – nachdem Rivera entlassen und nach Mexiko zurückgekehrt war – zerstört.
Sammlung und Museen
Rivera malte nicht nur, sondern betätigte sich auch bis zu seinem Tod 1957 als Sammler präkolumbianischer Objekte. 50.000 Stück hat er zusammengetragen. Im ursprünglich von ihm als Wohnhaus geplanten Museo Diego Rivera Anahuacalli in Mexiko Stadt sind diese heute zu sehen. Aufgebaut ist das Gebäude dabei im Stil der ebenfalls präkolumbianischen Pyramidenarchitektur und soll so an eine abgeschnittene Pyramide mit aufgesetztem Tempel erinnern.
Ebenfalls in Mexiko Stadt befindet sich das Museo Dolores Olmedo, welches die größte Privatsammlung von Werken Riveras und Frida Kahlos beinhaltet.