Dein Kulturreisejournal

Die Ruinen von Sidschilmasa

Mittelalterliche Karawanenstadt in Marokko

von Anika Batschi

Langsam bröckelnde Mauerstücke ragen noch aus dem Sand, den Rest hat der Wüstenwind bereits verweht. Von der einstigen Pracht der im Mittelalter florierenden Oasenstadt Sidschilmasa am Rand der Sahara ist heute nicht mehr viel übrig. Dabei war der Ort früher eines der wichtigsten Handelszentren im Maghreb.

Das Ruinenfeld von Sidschilmasa
Das Ruinenfeld von Sidschilmasa
© Wikimedia / Loonybad, CC BY-SA 3.0

Ein sagenumwobener Ort
Im 8. Jahrhundert soll Sidschilmasa (auch Sijilmassa) als eine der ersten Städte Marokkos von den Römern gegründet worden sein. Die damalige Hauptstadt des Tafilalet, einer Oasengruppe am Nordrand der Sahara, erlangte durch den Handel mit dem aufsteigenden Reich von Ghana großen Reichtum. Während der Blütezeit sollen über 100.000 Menschen dort gelebt haben. Bis ins 11. Jahrhundert hinein war Sidschilmasa Ausgangspunkt für die westliche Route des Transsaharahandels. Hier starteten die Karawanen ihre monatelangen Reisen nach Ghana, Timbuktu und zu wichtigen Handelsstädten im heutigen Mauretanien, bei denen sie Strecken von über 2.000 Kilometern bewältigten.

In Sidschilmasa reihten sich zu dieser Zeit riesige Warenumschlagsplätze aneinander. Man handelte auf dem Markt mit Luxusgütern aus dem Mittelmeerraum und tauschte sie gegen Gold, Elfenbein oder Sklaven aus Schwarzafrika. Durch die Kontrolle der Karawanenrouten verfügte die Stadt entlang des Flusses Ziz neben ökonomischer auch über politische Macht. Ihr Erscheinungsbild soll prachtvoll wie das der Königsstädte Marrakesch und Fès gewesen sein – mit einer eigenen Moschee, großen Wohnbauten und mächtigen Stadtmauern.

Untergang des Karawanenzentrums
Mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Malis verschoben sich die Handelswege jedoch nach Osten und Sidschilmasa verlor die Stellung als Handelszentrum und nach und nach an Wichtigkeit. Letztendlich soll die Siedlung durch den Angriff eines Berberstammes aus dem Hohen Atlas zerstört worden sein.

Dass heute nur noch Mauerteile im Sand zu sehen sind, liegt an dem vergänglichen Baumaterial der Stadt, die aus mit Steinen versetzten Stampflehmbauten bestand. Das raue Wüstenklima hat seinen Teil zur Verwitterung der Überreste beigetragen.

Stadttor von Rissani
Stadttor von Rissani © Wikimedia / Bjørn Christian Tørrissen, CC BY-SA 3.0

Nachfolgestadt Rissani
Auf knapp 1.400 Kilometern umfasst das Tafilalet heute um die 300 Dörfer und ist damit die ausgedehnteste Oasengruppe der Welt. Unweit der historischen Siedlung wurde die Kleinstadt Rissani errichtet, die heute für ihren täglich stattfindenden Markt bekannt ist, den sogenannten Souk.

Nach dem Untergang der früheren Handelsstadt fungierte sie lange als Verwaltungszentrum der Region, bis Erfoud diese Aufgabe übernahm. Von Rissani aus kann man einen Ausflug zu den Ruinen von Sidschilmasa unternehmen, die ein paar Kilometer außerhalb liegen. Ortskundige Guides bieten an den Hotels Führungen an.

Museum Ksar El Fida
Museum Ksar El Fida © Harald Kother

Nicht minder rege ist der tägliche Betrieb auf dem angrenzenden Djemaa el-Fna, der ebenfalls zum Erbe der Unesco zählt. Im Mittelalter wurden auf dem ehemaligen Gerichtsplatz die Häupter der Hingerichteten zur Schau gestellt. Heute dient der Platz Gauklern, Musikern, Geschichtenerzählern, Akrobaten, Schlangenbeschwörern und Wahrsagern als riesige Bühne. Insbesondere an den Wochenendabenden entwickelt sich hier ein regelrechtes Freilufttheater, das Marokkaner und Besucher gleichermaßen schätzen. Mit Einbruch der Dunkelheit werden zahlreiche Garküchen aufgebaut und die verschiedensten Gerüche ziehen über das Spektakel hinweg.

In Rissani und der umliegenden Region befinden sich zahlreiche Kasbahs und Ksour, viele davon leider schon größtenteils verfallen. Die meisten dieser Stampflehmbauten und Dörfer stehen in Verbindung mit den Herrschern der Alaouiten-Dynastie. Die noch heute in Marokko regierende Dynastie hat im Tafilalet ihren Ursprung und eroberte die Region Mitte des 17. Jahrhunderts. Beeindruckend ist das prächtige Mausoleum für den Begründer Moulay Ali Cherif.

Sehenswert sind auch der gut erhaltene Ksar Abouam nahe des Zentrums von Rissani sowie der historisch wichtige Ksar Abbar. Er liegt südlich der Stadt und diente wie viele der Lehmdörfer als Verbannungsort für unliebsame Angehörige des Sultans. Der in den letzten Jahren sanierte Ksar El Fida war einst Königssitz. Heute beherbergt er ein ethnologisches Museum, in dem unter anderem Fundstücke aus Sidschilmasa ausgestellt sind, die man beim Bau des neuen Busbahnhofs ausgegraben hat.